Ampel mit grünem Pfeil

Der grüne Blechpfeil an Ampeln erlaubt rechtsabbiegenden  Fahrzeugen an Lichtsignalanlagen das Fahren auch bei „Rot“, wenn sie bestimmte Verhaltensregeln einhalten. Allerdings ist er gefährlich und oft illegal angebracht. Viele Pfeile dürften nach den Vorschriften zu ihrem Einsatz gar nicht hängen. Mehr als drei Viertel der Autofahrer brechen am Grünpfeil die Sicherheitsregeln. Das macht Grünpfeil-Ampeln zu chronischen und brandgefährlichen Konflikt- und Unfallstellen.

Eine ausführliche Studie von FUSS e.V. wertet Analysen und Statistiken Dritter aus und fügt eigene Daten hinzu:

Peter Struben/Arndt Schwab: Die Einsatzbedingungen der Grünpfeil-Regelung in Deutschland seit 1978: Rechtsnormative, anordnungs-  und verkehrspraktische Mängel. Hrsg.: Fachverband Fußverkehr Deutschland FUSS e.V. Berlin, Oktober 2018 - Download unten.

Das Verkehrszeichen Grünpfeil führte 1978 die DDR ein, weil die Blechschilder einfach zu hängen und einfacher zu betreiben waren als elektrische Signale. Nach der deutschen Wiedervereinigung erkoren ihn Freunde des haltlosen Autoverkehrs zu einer der wenigen erhaltenswerten DDR-Errungenschaften. Zwar warnte im Dezember 1990 der gerade ins Amt gekommene Bundes-Verkehrsminister Günter Krause aufgrund seiner langjährigen Ost-Erfahrung: „Eine dauerhafte Beibehaltung dieser Regelung … kann aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht in Betracht kommen.“ Doch da politisch ein Symbol für die Anerkennung ostdeutscher Leistungen gefragt war, blieb der Grünpfeil im Osten zunächst erhalten und kam 1994 sogar in die gesamtdeutsche Straßenverkehrsordnung (§37 StVO).

Experten und engagierte Bürger warnten schon damals vor dem Tabubruch, das Fahren bei Rot zu erlauben und damit die Verkehrsmoral zu untergraben. Zwar gab und gibt es in der Verwaltungsvorschrift zu §37 StVO Einsatzkriterien für die Zulässigkeit des Pfeils, etwa zum erforderlichen Sichtfeld an der Kreuzung bzw. Einmündung, zur Nicht-Vereinbarkeit mit bestimmten Gegebenheiten beim kreuzenden Rad- und Fußverkehr, zu Abbiegespuren, Schulwegen und mehr. Doch diese Einsatzkriterien waren und sind sehr lückenhaft. Außerdem werden sie von vielen Straßenverkehrsbehörden nicht beachtet. Also häufen sich Behinderungen, bedrohliche Situationen und Unfälle, weil Autos wegen des Grünpfeils Fußgänger- und Radfahrfurten befahren oder blockieren, wenn diese „Grün“ geschaltet sind. Auch zwei kleinere Verschärfungen der Kriterien und Richtlinien 2001 und 2003 halfen nur unzureichend.

Wie schlampig und sogar rechtswidrig viele Städte vorgehen, zeigt 2015 ein Forschungsbericht von TU Dresden und Unfallforschung der Versicherer (UVD). 76 Prozent der befragten 59 Großstädte (davon 45 westdeutsche und 14 ostdeutsche) beachten nicht alle Ausschlusskriterien der Verwaltungsvorschrift. Fast die Hälfte der Städte ignorieren die Einsatzbeschränkungen für Seh- oder Gehbehinderte, viele missachten den geforderten Schutz von Schulkindern und Radfahrern. In keiner Stadt waren alle Pfeile gemäß den Abwägungskriterien der damals gültigen RiLSA-Richtlinie (Richtlinie für Lichtsignalanlagen) eingesetzt.

So häufig, wie die Städte die Einsatzvorschriften missachten, verstoßen vor Ort die Autofahrer gegen die Verhaltens- und Sorgfaltspflichten – manchmal im Sekundentakt. Das gilt vor allem für die Vorschrift, bei grünem Pfeil, aber roter Ampel, immer zuerst an der Haltlinie vor der Fußgängerfurt zu stoppen. Durchfahren ohne Halt kostet theoretisch 70 Euro und einen Punkt in Flensburg. Aber es wird fast nie kontrolliert, und etwa drei Viertel der Grünpfeil-Nutzer/innen halten sich nicht daran. Der o. g. Forschungsbericht von 2015 hatte für Deutschlands Grünpfeil-Hauptstadt Dresden eine Regelbrecher-Quote von 70 Prozent, für Köln sogar von 81 Prozent ermittelt. Ein von FUSS e.V. in Berlin erstelltes Video zu diesem Thema gibt es hier.

Entsprechend gefährlich sind die Grünpfeil-Orte. Die Auswertung von 505 Kreuzungen und Einmündungen in den fünf Großstädten Berlin, Dresden, Köln, Mannheim und Stuttgart zeigt: Obwohl die Grünpfeil-Knotenpunkte nur 33 Prozent der untersuchen Orte ausmachten, geschahen hier über 40 Prozent aller Unfälle. Somit ergibt sich in den fünf Städten durch den Grünpfeil ein signifikantes Zusatzrisiko von 25 Prozent.

Struben/Schwab schätzen aufgrund der vorliegenden Daten: „Allein in Dresden kracht es wegen des Grünpfeils etwa viermal pro Woche.“ Häufig trifft es Fußgänger und Radfahrer in der Grünpfeil-Zufahrt, oft auch Autofahrer aus der Querstraße, die auf ihr Grün vertraut hatten. Die Gefahr potenziert sich, wenn ein Autofahrer bei „Rot“ rechts abbiegt und andere Rechtsabbieger mitzieht, die glauben, sie hätten freie Fahrt. Gelegentlich werden sogar unachtsame Autofahrer, die geradeaus fahren wollen, mitgeschleppt. Immer wieder werden auch diejenigen Autofahrer genötigt und bedrängt, die vor der roten Ampel korrekt anhalten. Einige besonders ungeduldige Rechtsabbieger, die hinter haltenden Fahrzeugen warten müssen, drängeln mit Hupe und/oder Lichthupe. Manchmal führt das zu spontanem Losfahren des bedrängten Fahrers, der dann irrtümlich annimmt, die Ampel zeige schon „Grün“.

Viele Autofahrer sind Grünpfeil-Fans, weil sie sich Zeitgewinn und Spritsparen durch weniger Standzeit versprechen. Doch das geht oft an der nächsten Ampel wieder verloren. Der Forschungsbericht von 2015 hält hierzu fest:  „Ein genereller Vorteil für den Verkehrsablauf des motorisierten Verkehrs ist … nicht festzustellen. Allerdings ist punktuell davon auszugehen, dass die Kapazität einer Zufahrt u.U. erhöht werden kann.“ (S.2) „Nach dieser Untersuchung lässt sich … keine Tendenz feststellen, wonach sich mit Nutzung der Grünpfeil-Regelung Vorteile hinsichtlich des Kraftstoffverbrauches ergeben.“ (S.197)

Dagegen verlängern sich die Wege von Fußgängern und Radfahrern räumlich und/oder zeitlich, wenn Autofahrer wegen des Grünpfeils deren Wege blockieren und sie deshalb teilweise sogar wieder auf das nächste „Grün“ warten müssen oder zu (gefährlichen) Umwegen gezwungen werden. Es gibt also keine sicheren und sinnvollen Grünpfeile. Zumindest bei Fuß- und Radfahrfurten müssen sie zum Schutz dieser besonders förderungswürdigen und besonders gefährdeten Verkehrsteilnehmer/innen allesamt verschwinden.

FUSS e.V. engagiert sich seit 1991 gegen den Grünpfeil. Im Jahr 2018 ist der Verband in folgender Hinsicht aktiv geworden:

  1. Erstellung und Veröffentlichung der o.g. Studie (Download hier (PDF, 2,4 MB).
  2. Wir haben die Landesverkehrsministerien als oberste Verkehrsbehörden angeschrieben und die Entfernung aller rechtswidrig angeordneten Grünpfeile sowie die vorschriftsmäßige Beachtung aller Einsatzbedingungen gefordert.
  3. Bei Bundesverkehrsministerium und Bundesrat als Verordnungsgeber haben wir die Anpassung der Regelwerke (Verwaltungsvorschrift zu §37 StVO und RiLSA) an den Stand der Wissenschaft und den empirischen Erkenntnisstand eingefordert: Von bislang 30 dokumentierten Unfall- und Konfliktpotenzialen sind in den Regelwerken gerade einmal 11 berücksichtigt (siehe Tabelle: Fachliche Empfehlungen und Vorgaben zu Einsatzkriterien und ihre Berücksichtigung in den Regelwerken VwV-StVO und RiLSA“) – Download hier (PDF).