Fachliche Empfehlungen und Vorgaben zu Einsatzkriterien und ihre Berücksichtigung in den Regelwerken VwV-StVO und RiLSA
Die Geschichte der Einsatzkriterien für das Verkehrszeichen „Grünpfeil“ zum Rechtsabbiegen von Fahrzeugen bei „roten“ Lichtsignalanlagen zeigt ein immer wiederkehrendes Muster: Das jeweils bekannte und registrierte Gefährdungspotenzial wurde und wird in den Regelwerken nur unzureichend berücksichtigt (vgl. dazu Peter Struben/Arndt Schwab: Die Einsatzbedingungen der Grünpfeil-Regelung in Deutschland seit 1978: Rechtsnormative, anordnungs- und verkehrspraktische Mängel. Hrsg.: Fachverband Fußverkehr Deutschland FUSS e.V. Berlin, Oktober 2018, Kap. I, II, IV-IX; XII, XIII sowie Tabelle: „Übersicht über die Einsatzkriterien der Grünpfeil-Regelung 1978-2018“ – Download hier):
- Schon im „Fachbereichsstandard „TGL 12096“ bzw. den „Erläuterungen zum Standard“ der DDR waren lediglich 7 von insgesamt 11 registrierten grünpfeilbedingten Gefahren in Form von Einsatzkriterien berücksichtigt (hatten in der DDR die Funktion einer Verwaltungsvorschrift).
- Zum 1. März 1994 wurde die Grünpfeil-Regelung in die bundesdeutsche StVO (§37) aufgenommen. In der Verwaltungsvorschrift vom 1. März 1994 (VwV-StVO 1994) wurden jedoch die aus der DDR bekannten sowie die in den anfangs der 90-er Jahre gewonnenen neuen Erkenntnisse zum Gefährdungspotenzial des Grünen Pfeils nur zur Hälfte berücksichtigt. Überdies hatten mehrere Einsatzkriterien keine wissenschaftliche Grundlage, denn der von BASt (Bundesanstalt für Straßenwesen) und HfV (Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List“ Dresden) im Jahre 1992 empfohlene deutschlandweite Modellversuch zur Erarbeitung wissenschaftlich fundierter Einsatzkriterien war nicht durchgeführt worden.
- Im Zeitraum 1993-1998 wurden fünf Forschungsvorhaben zum Grünpfeil durchgeführt sowie ein Erfahrungsbericht erstellt. Mit der Auswertung war die „Projektgruppe Grünpfeil“ der BASt befasst. Als Ergebnis empfahlen die Autoren der „Projektgruppe Grünpfeil“ in ihrem Schlussbericht vom Oktober 1999 – im Vergleich zur VwV-StVO 1994 – vier zusätzliche Ausschlusskriterien und fünf zusätzliche Abwägungskriterien (sowie die Streichung von zwei Ausschlusskriterien).
- Zum 1. Februar 2001 wurde die Verwaltungsvorschrift zu §37 StVO neu gefasst (und ist seitdem inhaltlich nicht mehr geändert worden; die aktuell gültige Fassung stammt vom 22. Mai 2017). Aber von den vier zusätzlichen Ausschlusskriterien, die von der „Projektgruppe Grünpfeil“ empfohlen worden waren, wurde nur eines, von den fünf empfohlenen zusätzlichen Abwägungskriterien keines berücksichtigt.
- Als Ergebnis ihrer Untersuchungen zur „Sicherheit von Grünpfeilen“, die die TU Dresden im Auftrag der Unfallforschung der Versicherer/GDV im Zeitraum 2008-2010 in fünf deutschen Großstädten (Berlin, Dresden, Köln, Mannheim und Stuttgart) durchführte, formulierten die Forscher der TU Dresden und die Unfallforscher des GDV zwei weitere Ausschlusskriterien sowie die Präzisierung eines vorhandenen; ebenfalls empfahlen sie die Aufnahme zusätzlicher Einsatzbedingungen.
Zum Grünpfeil gibt es neben dem verkehrsrechtlichen Regelwerk der Verwaltungsvorschrift auch ein technisches Regelwerk, die RiLSA (Richtlinien für Lichtsignalanlagen). Sowohl die VwV-StVO 2017 als auch die RiLSA 2015 enthalten nur 11 von insgesamt 30 dokumentierten Unfall- und Konfliktpotenzialen (vgl. Tabelle: „Fachliche Empfehlungen und Vorgaben zu Einsatzkriterien und ihre Berücksichtigung in den Regelwerken VwV-StVO und RiLSA“. Download hier.
FUSS e.V. hat den Verordnungsgeber (BMVI und Bundesrat) aufgefordert, die VwV-StVO umgehend dem Stand von Wissenschaft und Praxiserkenntnissen anzupassen, um Unfälle, die wegen fehlender Berücksichtigung bekannten Gefährdungspotenzials entstehen, künftig zu verhindern.